26.11.08

Demographie ist...

14.11.08

Süddeutsche Zeitung Ressort: Computer
13.11.2008 12:12 Uhr

Spam aus USA
Schlag gegen den Müll

Wer gerne im Internet Potenzpillen bestellt, muss zurzeit mit einem knapperen Angebot auskommen. Internetprovider haben einen der größten Spam-Versender lahmgelegt.
Von Mirjam Hauck

Noch sind sich Wissenschaftler uneins, ob Spam tatsächlich ein lohnendes Geschäft ist: Machen die Versender von unerwünschten Werbe-Mails mehr Umsatz als die weltweite Rauschgiftmafia?

Geplagten Nutzern, deren E-Mail-Postfach täglich überquillt, helfen diese Informationen nicht wirklich weiter. Hier bewährt sich meist nur ein funktionierender Spamfilter - oder das rigorose Durchgreifen von Internetprovidern.

Wie die Washington Post berichtet, haben zwei amerikanische Internetprovider am Dienstag dem kalifornischen Hoster McColo die Leitungen gekappt und ihn damit vom Netz genommen. Daraufhin sank nach Angaben der Zeitung das weltweite Spam-Aufkommen noch am selben Abend um 66 Prozent.

Millionen verseuchte PCs

Nach Erkenntnissen der IT-Sicherheitsexperten ist McColo ein sogenannter Bulletproof Hoster. Die Firma verfügte also über sogenannte Botnetz-Master-Server. Damit lassen sich Millionen verseuchte PCs zum Verbreiten von Spam für gefälschte Arzneien und Designerware steuern. Nach Angaben von Experten war McColo bislang für 75 Prozent des weltweiten Spam-Aufkommens verantwortlich.

Fraglich ist aber, ob dieser Rückgang von Dauer sein wird. Die Spammer werden früher oder später wohl eine neue Firma für ihre illegalen Aktivitäten finden - sei es in Amerika, Russland oder China. Aus diesen Ländern kommen die meisten Spam-Attacken.

Pro Tag fließen rund 160 Milliarden illegale E-Mails durchs Internet. Zwar überwinden nur etwa fünf Prozent die Spamfilter der E-Mail-Anbieter. Tatsächlich angeklickt wird nur jede 10.000. bis 100 000. E-Mail.

Die Adressaten, die sich dann tatsächlich von den Angeboten für gefälschte Pillen haben ködern lassen und auf die entsprechende Website geklickt haben, kaufen ein bis drei Prozent die Produkte auch ein. Ein illegaler Online-Pharma-Versender erwirtschaftet nach Expertenschätzung mit dieser Praxis rund 150 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr.

Der vom Netz genommene Hoster war allerdings nicht nur auf Spam spezialisiert. Wie die Washington Post weiter berichtet, lagen bis zu 40 Webseiten mit Kinderpornographie auf den Servern von McColo. Sie verzeichneten zwischen 15.000 und 25.000 Besucher pro Tag.

Auch bei einem Hacker-Angriff, bei dem mittels Trojanern mehr als eine halbe Million Bank- und Kreditkartendaten gestohlen wurden, waren Server der Firma beteiligt.

Ob die amerikanischen Polizeibehörden gegen McColo ermitteln, ist nach Angaben der Washington Post derzeit noch unklar. Weder das FBI noch der Secret Service gaben zu diesem Fall eine Stellungnahme ab. Nach US-Recht können Webhoster für illegale Aktivitäten innerhalb ihres Netzwerkes nicht haftbar gemacht werden - außer bei Urheberrechtsverstößen und Kinderpornographie.

(sueddeutsche.de/bön)

11.11.08

Lebensrettende Demographie



Süddeutsche Zeitung, 11.11.2008

Die verlorenen Jahre

Scheidung, Rauchen, Wohnort: Welche Risiken das Leben wie stark verkürzen

Der Ausgangspunkt ist eine beinahe banale und durch viele Studien abgesicherte Feststellung: Die Lebenserwartung von Männern und Frauen mittleren Alters ist am höchsten, wenn sie nur wenig Alkohol trinken, nicht rauchen, verheiratet sind, sich gesund fühlen, Abitur haben und einen Job als Angestellte erledigen. Nun haben die Demographinnen Anne Kruse, Elena Muth und Gabriele Doblhammer versucht herauszufinden, welche Risiken das Leben wie stark verkürzen. Das Ergebnis verblüfft zumindest in den Dimensionen: Ein 50 Jahre alter Raucher hat eine um 18 Jahre geringere Lebenserwartung als ein Mann, der mit Blick auf seine Gesundheit alles richtig macht.

Die Themenfrage der Studie, von der nun eine Kurzfassung veröffentlicht wurde (Demografische Forschung aus erster Hand, 3/2008), lautete: Welche Lebensbedingungen, Krankheitsmerkmale oder Verhaltensweisen kosten wie viele Lebensjahre? Die Forscher nutzten Sterbedaten der amtlichen Statistik und des Sozioökonomischen Panels, um dies zu berechnen. Sie definierten einen 50-jährigen "Supermann" und eine 50-jährige "Superfrau", die dank Verhalten, Biografie und Gesundheit in den Lebenserwartungs-Statistiken am besten abschneiden. Mit diesen Menschen wurden andere verglichen, deren Lebensläufe von verschiedenen Risiken geprägt sind.

Medizinische Risikofaktoren wirken demnach stärker als soziale. So haben Männer, die mit ihrer Gesundheit unzufrieden sind, eine um 19 Jahre niedrigere Lebenserwartung als der "Supermann". Offenbar leiden jene, die sich nicht als gesund einschätzen, auch tatsächlich häufig an ernsten Krankheiten. Bei Frauen ist der Wert mit knapp 18 Jahren ähnlich hoch. Ähnlich stark sinkt die Zahl der Lebensjahre bei Menschen, die schon im Alter von 50 Jahren an Altersdiabetes leiden, stark rauchen oder viel Alkohol trinken (siehe Grafik).

Verglichen damit wirken sich soziale Einflüsse schwächer aus. So verkürzt Arbeitslosigkeit das Leben um 14 Jahre. Eine Scheidung verringert die Lebenserwartung im Vergleich zu den Idealtypen um knapp zehn Jahre, ähnlich wie ein niedriger Schulabschluss.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen zeigen sich nur bei wenigen Faktoren. So ist beispielsweise die Lebenserwartung alleinlebender Frauen um einige Jahre geringer; bei Männern tritt dieser Effekt nicht auf. Auch Kinderlosigkeit (die bei Männern in den Statistiken nicht vollständig erfasst wird) wirkt bei Frauen statistisch leicht lebensverkürzend. "Das kann bei Frauen am Fehlen sozialer Kontakte, aber auch an biologischen Faktoren liegen", sagt die Mitautorin Elena Muth, die am Rostocker Zentrum für demographischen Wandel arbeitet.

Die einzelnen, überraschend hohen Risiken dürfen freilich nicht zu einer Addition verleiten - etwa in dem Sinn, dass sich die Lebenserwartung eines arbeitslosen, geschiedenen Rauchers um 14 plus neun plus 18 Jahre verringert. "Risikofaktoren bedingen sich oft gegenseitig, daher ist der Gesamteffekt geringer als die Einzeleffekte", sagt Elena Muth.

FELIX BERTH