12.9.07

Schicksale des Tages

Bilderstrecke des Grauens in jetzt.de:

Frauen am Ende: Eva Herman vs. Britney Spears

Biologismus des Tages: Politische Neuronen

Wieder einmal etwas neues von den FreundInnen aus dem Elektroschocklabor:
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Hirnforschung

Sind Sie liberal oder konservativ eingestellt? New Yorker Wissenschaftler können dies mit Hilfe von Hirnstrommessungen überprüfen.
Von Markus C. Schulte von Drach


Um politische Extremisten aufzuspüren, reicht die Methode natürlich nicht. Aber wie jemand bei der nächsten Wahl abstimmen wird, ließe sich mit Hilfe von Hirnstrommessungen vielleicht vorhersagen. Man muss nur wissen, welchen Teil des Gehirns man testen muss.

Darauf deutet eine Studie von Wissenschaftlern der New York University. Den Forschern ist es gelungen, mit Hilfe von EEG-Messungen die politische Grundeinstellung ihrer Studienteilnehmer zu überprüfen.

Demnach zeigt die Hirnaktivität in einer bestimmten Region des Gehirn, ob jemand eher liberal eingestellt ist oder eher konservativ. Es handelt sich dabei um den anterioren cingulären Kortex, der eine wichtige Rolle als eine Art mentale Bremse spielen soll.

David Amodio und seine Kollegen hatten ihre 43 Versuchspersonen die eigene politische Einstellung auf einer Skala zwischen -5 und +5 einschätzen lassen. Der niedrigste Wert stand dabei für sehr liberal, der höchste für sehr konservativ.

Anschließend wurde die Hirnaktivität der Probanden mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG) überwacht, während sie auf Signale mit einem Knopfdruck reagierten.

Tauchte auf einem Bildschirm ein M auf, sollten sie einen Knopf drücken, erschien ein W, den anderen - und zwar innerhalb einer halben Sekunde. Die Wissenschaftler hatten jedoch dafür gesorgt, dass in 80 Prozent der Fälle immer der selbe Buchstabe auftauchte. Die Studienteilnehmer gewöhnten sich deshalb daran, immer den selben Knopf zu drücken.

Konservative folgen der Gewohnheit

Blinkte aber der andere Buchstabe doch einmal auf, so mussten sich die Probanden umstellen. Und das gelang den konservativ eingestellten Teilnehmern schlechter als den liberalen. Sie folgten häufiger der Gewohnheit und drückten auf den nun falschen Knopf.

Und ihr Verhalten spiegelte sich auch in der Hirnaktivität wieder. Bei jenen aber, die sich als eher liberal eingestuft hatten, zeigten die Neuronen im beobachteten Areal doppelt so viel Aktivität wie bei den konservativen Teilnehmern. Dies, so vermuten die Wissenschaftler, spiegele die größere Bereitschaft oder Fähigkeit dieser Personen wieder, sich auf Veränderungen einzulassen. (Nature Neuroscience , doi:10.1038/nn1979).

Amadio und sein Team vermuten nun, dass es Veranlagungen gibt, die sich in der politischen Einstellung niederschlagen - und dass diese möglicherweise ein Stück weit genetisch bedingt sind. Das könnte zum Teil erklären, warum viele Menschen ihr gesamtes Leben an einer politischen Überzeugung festhalten.

Dass es Unterschiede in der Denkweise von liberalen und konservativen Personen gibt, ist schon länger bekannt. Demnach berücksichtigen Liberale stärker die Komplexität und Vieldeutigkeit von Informationen, während sich Konservative durch einen strukturierten und beständigen Denkstil auszeichnen, berichten Amodio und seine Kollegen.

Wie Amodio dem New Scientist erklärte, sei seine Studie kein Beleg dafür, dass Liberale irgendwie "besser" seien als Konservative. Denn in anderen Situationen könnte es sich als vorteilhaft erweisen, sich nicht so schnell durch neue Reize ablenken zu lassen.

Die Ergebnisse sollten allerdings nicht überbewertet werden. So sagte Matt Newman von der Arizona State University in Phoenix dem New Scientist, es ginge zu weit, wenn Forscher behaupten würden, unterschiedliche politische Ansichten ließen sich einfach auf biologische Unterschiede zurückführen.

(sueddeutsche.de)

Kevin des Tages: Ein Baby namens Hitler

Venezolanische Vornamen

In Venezuela florieren Vornamen wie Superman, Nixon und Hitler - damit soll nun Schluss sein.
Von Peter Burghardt

Als Superman seine Stimme abgab, wurde Venezuelas Opposition misstrauisch. Die Gegner von Präsident Hugo Chavez fühlten sich veralbert, dabei war der seltsame Wähler offenbar ein ganz normaler Mensch. "Es gibt einen Bürger, der Superman heißt, und er ist Venezolaner", berichtete die Vorsitzende der Wahlbehörde, nachdem Chavez im Dezember 2006 im Amt bestätigt worden war.

Angeblich sind unter den 28 Millionen Einwohnern des südamerikanischen Landes sogar zwei Superman gemeldet, Superman Gonzalez und Superman Fernandez. Im Zensus finden sich nach Erkenntnissen der New York Times außerdem 60 Hitler, darunter ein Hitler Adonys Rodriguez Crespo, acht Hochiminhs, zum Beispiel Hochiminh Jesus Delgado Sierra, und sechs Eisenhowers wie Dwight Eisenhower Rojas Barboza. Dazu ein Nixon, Maolenin, Kennedy, John Wayne. Aber damit soll jetzt Schluss sein.

Die venezolanische Regierung will solche Einfälle aus dem Reich von Weltgeschichte oder Hollywood künftig verbieten. Untersagt seien Vornamen, "die lächerlich machen, extravagant oder in der Landessprache schwer auszusprechen sind", heißt es in einem Gesetzentwurf unter Artikel 106. Das Veto betrifft auch jene Variationen, die Zweifel über das Geschlecht erlaubten wie die Kombination Leomar, Leonardo y Maria. Die Behörden wollen eine Liste mit 100 Möglichkeiten zusammen stellen, daraus sollen Eltern nach der Geburt ihrer Kinder auswählen.

Allerdings halten das manche Mandatsträger für eine arge Einschränkung. "Wieso nicht 120 Namen?", fragt der Abgeordnete Jhonny Owee Milano Rodriguez aus der Region Cojodes. "Ich möchte wissen, wo sie die 100 Namen herhaben. Für mich ist das Gesetz willkürlich. Mein Name ist auch ungewöhnlich." Im Parlament sitzen außerdem ein Earle Jose Herrera Silva und eine Iroshima Jennifer Bravo Quevedo.

Die Ordnungsmaßnahme der Funktionäre kollidiert mit der lateinamerikanischen und vor allem karibischen Phantasie und Begeisterung. In Venezuela entstanden des weiteren Schöpfungen wie Olmelibey, Kerbert Krishnamerk oder Hengelberth. Es gibt auch einen Apolo tres, offenbar eine Hommage an die Raumfähre Apollo 3, und einen Temutchin del Espiritu Santo Rojas Fernandez.

In den übrigen Ländern der Region hatten Papa und Mama ebenfalls die kuriosesten Ideen, eine andalusische Sprachforscherin war vor einigen Jahren besonders angetan von der Vielfalt der Dominikanischen Republik. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden dort je nach politischer Richtung Kombinationen wie Mussolini Lopez, Winston Ramirez, Roosevelt Camilo, Garibaldi Garcia oder Stalin Perez. Spielfilme und Sportsendungen aus den USA inspirierten zu Gary Cooper Gonzalez, Disneya, Scarlet Infante oder Michael Jordan Ramirez. Die Linguistin entdeckte auch eine Expreso Valdes, ein Etcetera Vazquez und eine Albania Urss Diaz. Kolumbien überrascht seit Lady Di mit Leidys. Ecuadors Vizepräsident heißt Lenin Moreno.

Ganz zu schwiegen von den Hinterlassenschaften der katholischen Kirche wie Inmaculada Concepcion (Unbefleckte Empfängnis). Man könne keine Liste mit nur 100 Namen präsentieren, wenn es allein für jeden der 365 Tage einen Heiligen gebe, gibt ein Kritiker zu bedenken. Und hat nicht auch Venezuelas Staatschef Chavez immer neue Einfälle? Die Nation ließ er umtaufen zur Bolivarischen Republik Venezuela, und die Avenida de Paez nennt sich zu Ehren des Verbündeten Iran inzwischen Avenida de Teheran.

(SZ vom 11.9.2007)

Fini des Tages: Kommunist, Zeitungsverleger, Fußballprofi

Italien - Ukraine
Der in der Ukraine spielende überzeugte Kommunist und Stürmer Cristiano Lucarelli soll Italien in seiner neuen Heimat vor dem EM-Aus bewahren.
Von Birgit Schönau

Weltmeister ist er nicht geworden. Zu bunt, dieser Vogel, als dass er mit der Squadra Azzurra nach Deutschland hätte fliegen dürfen. Zu unberechenbar seine Auslassungen gegenüber Journalisten - und wie hätte es erst ausgesehen, wenn er vor globalem Publikum die Faust geballt hätte! Denn das hat Cristiano Lucarelli berühmter gemacht als seine 101 Tore für die AS Livorno und der Titel des italienischen Torschützenkönigs 2005: Die geballte, linke Faust, beim Torjubel gen Himmel gereckt. Die symbolhafte Geste brachte dem überzeugten Kommunisten Lucarelli eine Geldbuße über 30.000 Euro vom Verband ein. Paolo Di Canio, der früher bei Lazio Rom den Hitlergruß entbot, musste dafür aparterweise nur 10.000 Euro Strafe zahlen. Soweit zum merkwürdigen Rechtsempfinden italienischer Funktionäre.

Cristiano Lucarelli hat die Serie A und seine Heimatstadt Livorno im Sommer verlassen. Er spielt jetzt für Schachtjor Donezk in der Ukraine. Das liegt von Mailand und Turin aus gesehen gefährlich knapp vor den Steppen Asiens und war bislang allerhöchstens als Frischfleischlieferant für die Ersatzbänke von Inter, Milan und Juventus interessant. Ein einziger ukrainischer Fußballer hatte in Italien Karriere gemacht, dort aber zuletzt deutlich weniger Tore geschossen als Lucarelli - Andrej Schewtschenko.

Gegen die Abwehr von Donezk

Ob Lucarelli am Mittwoch in Kiew beim EM-Qualifikationsspiel gegen die Ukraine auf Schewtschenko treffen darf, ist noch nicht ganz klar. Nationaltrainer Roberto Donadoni war früher Lucarellis Coach bei Livorno. Er berief den Torjäger aus der Toskana wieder zu den Azzurri. Doch nach dem dürftigen 0:0 gegen Frankreich am vergangenen Samstag muss Donadoni jetzt unbedingt gewinnen. Und Lucarellis knappe halbe Stunde gegen die Franzosen war mäßig.

Andererseits spielt gegen Italien die gesamte Abwehr von Schachtjor. Die kennt nur Lucarelli, deshalb war er für die Nazionale wohl noch nie so wertvoll wie heute. "Wir müssen aufpassen", sagt der Mann aus Livorno. '"Die Ukrainer sind hochmotiviert und pfeilschnell. Ihr Remis gegen Georgien besagt gar nichts. Gegen uns werden die anders auftreten. Die wissen alles, die Serie A läuft hier schließlich im Fernsehen." Er hätte aber Spaß daran, das Publikum in Kiew zu ärgern, frotzelte Arbeitsemigrant Lucarelli, "denn die mögen Schachtjor fast genauso wenig wie die Italiener".

Über seinen neuen Klub sagt er nur Gutes. Donezk sei eine nette, gastfreundliche Stadt, "der Fußball hier ist auf dem aufsteigenden Ast, schließlich ist die Ukraine Gastgeberland der EM 2012". Wäre Italien ja auch gern gewesen. Livorno ist ohne Lucarelli zwar um acht Millionen Euro reicher, muss aber um den Ligaerhalt zittern - Schachtjor hingegen spielt in der Champions League demnächst gegen Milan. Und dann, so gibt Genosse Cristiano freimütig zu, sei da auch noch das Geld: "Die Summe, die sie mir geboten haben, hat eine gewisse Rolle gespielt." Angeblich vier Millionen im Jahr. Nicht schlecht für einen Stürmer, der am 4.Oktober 32 Jahre alt wird.

Doch in Livorno fühlen sie sich verraten. "Lucarelli Venduto" schrieben die linken Ultrà der Brigate Autonome Livornesi auf ihre Spruchbänder - Lucarelli hat seine Seele verkauft. Was bedeutet es schon, dass er auch bei Schachtjor auf der Trikotnummer 99 bestanden hat, nach dem Gründungsjahr der heimischen Stadion-Brigaden. Da rühmt sich einer, mit der Tochter von Che Guevara befreundet zu sein, da trägt er stets das Konterfei des Che unterm Trikot - und dann spielt er für Geld ausgerechnet auf den Trümmern des real existierenden Sozialismus! Vor ein paar Jahren hatte Lucarelli, vielleicht etwas voreilig, seine Memoiren veröffentlicht. Titel: "Behaltet eure Millionen." Es ging darum, dass er aus Liebe zu Partei und Vaterstadt einen mit 500.000 Euro jährlich vergoldetes Engagement beim Klassenfeind AC Turin ausgeschlagen hatte. "Behaltet eure Millionen" wurde in Livorno an den Schulen gelesen. Wegen des moralischen Vorbildcharakters für die konsumgeile Jugend.

Nur eine 4+ von der eigenen Zeitung

Von einer Übersetzung ins Ukrainische ist nichts bekannt. Dafür liest Livorno nun auch noch Lucarellis Zeitung. Am Sonntag erschien die erste Nummer des Corriere di Livorno, einer Lokalzeitung mit großem Sportteil. Unabhängig, betont Lucarelli. Tatsächlich verpasste ihm die Sportredaktion für seinen Auftritt gegen Frankreich nur eine Vier plus. "Ich werde mich beim Verleger beschweren", schimpfte Lucarelli. War nicht ernst gemeint. Der Verleger ist er nämlich selbst. Er ist nicht nur als Erster in den Wilden Osten geflogen, sondern hat auch als allererster Fußballer eine richtige Tageszeitung gegründet. Mit elf festangestellten Journalisten, ein kleines Team für eine kleine Auflage von 12000 Stück. "Außer dem Chefredakteur alles junge Leute, die bisher ohne festen Arbeitsplatz waren."

Er habe ein Zeichen in Livorno setzen wollen, sagt Lucarelli. Arbeitsplätze schaffen in der Stadt der roten Hafenarbeiter, in der 1921 die Kommunistische Partei Italiens gegründet wurde. Zwei Millionen Euro hat Cristiano Lucarelli in seine Zeitung investiert. Ein halbes Jahresgehalt. So wird man bürgerlich. Wird man auch Kapitalist? Lucarelli findet: "Immer noch besser eine Zeitung kaufen als eine Yacht."

(SZ vom 12.9.2007)