14.11.08

Süddeutsche Zeitung Ressort: Computer
13.11.2008 12:12 Uhr

Spam aus USA
Schlag gegen den Müll

Wer gerne im Internet Potenzpillen bestellt, muss zurzeit mit einem knapperen Angebot auskommen. Internetprovider haben einen der größten Spam-Versender lahmgelegt.
Von Mirjam Hauck

Noch sind sich Wissenschaftler uneins, ob Spam tatsächlich ein lohnendes Geschäft ist: Machen die Versender von unerwünschten Werbe-Mails mehr Umsatz als die weltweite Rauschgiftmafia?

Geplagten Nutzern, deren E-Mail-Postfach täglich überquillt, helfen diese Informationen nicht wirklich weiter. Hier bewährt sich meist nur ein funktionierender Spamfilter - oder das rigorose Durchgreifen von Internetprovidern.

Wie die Washington Post berichtet, haben zwei amerikanische Internetprovider am Dienstag dem kalifornischen Hoster McColo die Leitungen gekappt und ihn damit vom Netz genommen. Daraufhin sank nach Angaben der Zeitung das weltweite Spam-Aufkommen noch am selben Abend um 66 Prozent.

Millionen verseuchte PCs

Nach Erkenntnissen der IT-Sicherheitsexperten ist McColo ein sogenannter Bulletproof Hoster. Die Firma verfügte also über sogenannte Botnetz-Master-Server. Damit lassen sich Millionen verseuchte PCs zum Verbreiten von Spam für gefälschte Arzneien und Designerware steuern. Nach Angaben von Experten war McColo bislang für 75 Prozent des weltweiten Spam-Aufkommens verantwortlich.

Fraglich ist aber, ob dieser Rückgang von Dauer sein wird. Die Spammer werden früher oder später wohl eine neue Firma für ihre illegalen Aktivitäten finden - sei es in Amerika, Russland oder China. Aus diesen Ländern kommen die meisten Spam-Attacken.

Pro Tag fließen rund 160 Milliarden illegale E-Mails durchs Internet. Zwar überwinden nur etwa fünf Prozent die Spamfilter der E-Mail-Anbieter. Tatsächlich angeklickt wird nur jede 10.000. bis 100 000. E-Mail.

Die Adressaten, die sich dann tatsächlich von den Angeboten für gefälschte Pillen haben ködern lassen und auf die entsprechende Website geklickt haben, kaufen ein bis drei Prozent die Produkte auch ein. Ein illegaler Online-Pharma-Versender erwirtschaftet nach Expertenschätzung mit dieser Praxis rund 150 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr.

Der vom Netz genommene Hoster war allerdings nicht nur auf Spam spezialisiert. Wie die Washington Post weiter berichtet, lagen bis zu 40 Webseiten mit Kinderpornographie auf den Servern von McColo. Sie verzeichneten zwischen 15.000 und 25.000 Besucher pro Tag.

Auch bei einem Hacker-Angriff, bei dem mittels Trojanern mehr als eine halbe Million Bank- und Kreditkartendaten gestohlen wurden, waren Server der Firma beteiligt.

Ob die amerikanischen Polizeibehörden gegen McColo ermitteln, ist nach Angaben der Washington Post derzeit noch unklar. Weder das FBI noch der Secret Service gaben zu diesem Fall eine Stellungnahme ab. Nach US-Recht können Webhoster für illegale Aktivitäten innerhalb ihres Netzwerkes nicht haftbar gemacht werden - außer bei Urheberrechtsverstößen und Kinderpornographie.

(sueddeutsche.de/bön)