18.3.06

Survival of the fattest

Wie Harvard und Co. über Aufnahmeverfahren ihren materiellen und symbolischen Reichtum vermehren.

Eliteuniversitäten brüsten sich gerne damit, dass sie nicht die reichsten, sondern nur die besten Studierenden aufnehmen. Dafür sollen ausgeklügelte Aufnahme- und Stipdendiensysteme sorgen. Diese werden in den USA als Symbol für Chancengerechtigkeit innerhalb einer Leistungsgesellschaft gesehen. Der Mythos verblasst jedoch sehr rasch, wenn man sich diese genau ansieht.

Bis in das 20. Jahrhundert mussten alle Studierwilligen an den drei US-Eliteuniversitäten Harvard, Princeton und Yale eine Prüfung absolvieren. Mit Erreichen einer bestimmten Punktezahl wurden man/frau schließlich zum Studium zugelassen. Ab 1910 schafften dies immer mehr jüdische Studierende, was die antisemitische Oberschicht entrüstete. Diese Entwicklung führte bereits zuvor an der Columbia University New York, mit rund 45% jüdischen Studierende,n dazu, dass die reiche christliche New Yorker Oberschicht ihre Kinder nicht mehr dorthin schicken wollte. Aus Angst vor einem ähnlichen „Schicksal“, das möglicherweise zum Ausfall großzügiger Spenden führen konnte, begannen nun die drei Universitäten, an antijüdischen Maßnahmen zu feilen. Nichts sei schlimmer, als die Stammkundschaft reicher weißer christlicher Eltern zu verlieren.

„The Hebrew problem“

Der damalige Präsident Harvards, Abbott L. Lowell, der bereits zuvor als Vizepräsident der „Immigration Restriction League“ bemüht war, jüdische Migranten abzuweisen, führte eine Aufnahmequote von maximal 15% Studierenden jüdischen Glaubens ein. Dazu schränkte er Stipendien an Juden/Jüdinnen ein und warb gezielt um Studenten aus dem amerikanischen Westen, wo kaum Juden lebten. Es kann der amerikanischen Gesellschaft zugute gehalten werden, dass darauf ein Entrüstungssturm losbrach. Dieser führte schließlich dazu, dass sich die Universitäten subtilere Methoden einfallen ließen, um die Studierenden ihrer Universitäten auszuwählen.
So wurde 1925 ein neues Aufnahmeverfahren eingeführt. dass den Antisemitismus subtiler bediente. Anstatt der Prüfung waren nun ein Empfehlungsschreiben, ein persönlicher Essay, Photos, Handschriftenproben und ein ausgefüllter Fragebogen einzureichen. Letzterer enthielt Fragen nach „Rasse“, Hautfarbe und Religion. Neben den schulischen Leistungen trat nun ein „Charaktertest“, der „Männlichkeit“, „Persönlichkeit“ und „Führungsqualitäten“ testen sollte.
Mit dem äußerst subjektiv vergebenen Prädikat des „Charakters“ konnten nun gezielt die protestantische Oberklasse den jüdischen Studierwilligen vorgezogen werden.

Balance zwischen brains und snob appeal

Die Universitäten merkten schnell, welche Vorteile ihnen diese neuen Zulassungsverfahren ermöglichten. Wie Jerome Karabel, Soziologieprofessor in Berkeley, in seinem Buch „The Chosen“ (Houghton Mifflin Company, € 26,50) schreibt, konnte nun abgelehnt und aufgenommen werden, wen immer man wollte. Damit hatte man ein Instrument zur gezielten Steuerung der zukünftigen StudentInnen in der Hand, was gleichbedeutend mit einer indirekten Steuerung des Images und zukünftiger Spenden von AbsolventInnen war.
Die antisemitischen Quoten wurden zwar in den 1950er Jahren abgeschafft, die Mechanismen der Aufnahmeverfahren wirken jedoch noch heute. Karabel zeigt in seinem Buch, dass die Unis bis heute diejenigen nehmen, von denen sie glauben, dass diese gut für das Image sind, beispielsweise SportlerInnen oder diejenigen, die später zur Elite ihres Landes zählen werden. Die Balance zwischen Intelligenz (brains) und Reichtum (snob appeal) gelte es aufrechtzuerhalten. Dies führte zwar dazu, dass vor allem in den 1990ern durch das Klima der political correctness Frauen und AfroamerikanerInnen vom System profitieren konnten. Gleichzeitig hatten es jedoch bspw. AsiatInnen schwerer, aufgenommen zu werden.
Eliteuniversitäten sind Marken, und das wichtigste ist ihnen ihr Image. Angesichts des geplanten Instituts in einer ehemaligen Nervenheilanstalt wird schnell klar, dass die heimischen Elitenuni-BefürworterInnen dies nicht verstanden haben.