31.8.07

Angebissen

Süddeutsches Magazin Stil leben - 30.08.2007

Angebissen!
Von: FRANK MÜLLER


iPod, iMac und ab Herbst das iPhone: Apple löst eine Euphorie aus, die sich nur noch mit religiösem Wahn vergleichen lässt.


Da liegt es, klein, schlank und metallisch-kühlen Chic verströmend: ein iPhone. Einfach so, kein Bild, das man irgendwo im Internet gesehen hätte, sondern ein real existierender Gegenstand – beinahe hätte man geschrieben: aus Fleisch und Blut. Erster Gedanke: ein alter Bekannter. Jeder Handgriff ist vertraut aus all den Werbefilmchen der Herstellerfirma Apple. Zweiter Gedanke: Es ist auf unwirkliche Weise real. Hat man sich nach dem monatelangen Werbegetrommel, das aus dem Gerät einen Heilsbringer, eine nie da gewesene Wundermaschine machte, eigentlich noch vorstellen können, dass dieses iPhone tatsächlich existiert mit seinen 11,5 mal 6,1 Zentimetern? Dritter Gedanke: Junge, komm runter. Es ist nur ein Handy. Man telefoniert damit, hört vielleicht Musik und schießt mal ein Foto.

In diesem Emotionen-Dreiklang spielt sich der ganze Mythos des Unternehmens Apple ab. Ein einfacher Gebrauchsgegenstand, in dem eine stets von Neuem revolutionär einfache Bedienung auf eine geradezu religiös aufgeladene Aura trifft – diese, Pardon, Dreifaltigkeit, prägt Apple seit vielen Jahren. Neu in diesem Herbst wird nur das Ausmaß sein. Wenn Apples iPhone nach der Sommerhysterie in den USA nun auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern Einzug hält, dann wird man das Gefühl haben, das messianische Zeitalter sei angebrochen und das Objekt aller Anbetung herabgestiegen zu uns Unwürdigen auf die Erde. Denn das iPhone, wie es uns Kunden vermittelt wird, interessanterweise eher durch Journalisten und die Fangemeinde als durch das Unternehmen selbst, verspricht nicht weniger als das Ende aller technischen Kommunikationsprobleme. Es will das Gerät sein, das die Erlösung bringt in all dem technischen Kleinkrieg mit all den elektronischen Kleingeräten wie Handys, Musikplayern, Fotoapparaten und Organizern, den jeder permanent zu führen scheint.

Erlösung – das ist nicht so weit hergeholt, wie es vielleicht klingt, und das zeigt schon das in Amerika neu geschaffene Wort »Jesusphone«, das teils satirisch, teils ernsthaft mit der angeblich übernatürlichen Wunderkraft des Apple-Handys spielt. In den USA hat es sich so fest etabliert, dass auch die englischsprachige Ausgabe des Onlinelexikons Wikipedia beide Bezeichnungen als Synonyme verwendet. Wer nach »Jesusphone« sucht, wird zum Eintrag über das iPhone geleitet. In Deutschland zeichnet sich Ähnliches ab: »Berühren heißt glauben« textete Media-Markt vorab in einer Anzeige über das hierzulande noch gar nicht erhältliche iPhone. Solche Anspielungen haben System bei dem kalifornischen Computerbauer und seinen Anhängern.

Selbst wer nur oberflächlich durch den Apple-Kosmos wandert, stößt auf eine derartige Flut religiöser und pseudo-religiöser Symbolik, dass er sich am Ende erleuchtet die Augen reibt. Das beginnt beim Firmennamen und dem Logo, einem angebissenen Apfel, der Assoziationen an den Baum der Erkenntnis im Garten Eden weckt. Aus dem Paradies vertrieben wurde durch diesen Apfel niemand, im Gegenteil: Nach Auffassung der Apple-Jünger haben damit paradiesische Züge in die sperrige Computer-Welt Einzug gehalten: Maschinen, die menschliche Eigenschaften haben, die so funktionieren, wie man es will, und immer stärker zum Begleiter, ja für manche gar zum Freund geworden sind.

Von: FRANK MÜLLER